Buchmessereise

Zum ersten Mal war ich in Frankfurt auf der Buchmesse, zum ersten Mal, soweit ich weiß, überhaupt in Frankfurt.

Tag 1

20141010_200709Beim Lesefest „open books“ durfte ich lesen, nur eine Tür weiter, vorbei an Kinosesseln und schwarzen Theatervorhängen Lutz Seiler und Kruso,
eine Etage tiefer die Kriminacht – Herzklopfen noch beim Erklimmen der Stufen ins zweite Obergeschoss, und dann: sind über die Hälfte der Plätze schon eine halbe Stunde vor der Lesung belegt, fröhliche Menschen überall, vorfreudiges Programmheftblättern in allen Reihen, und gleich deutlich entspanntere Tonprobe, Lichtprobe, Zeitabsprache, letztes Blättern im vollnotierten Vorlesebuch, bis hier 15 Minuten, bis hier 23, 35 schaffen wir sicher, und wenn noch Zeit ist, dann bis zur 45er-Markierung, nach Fragen fragen nicht vergessen – und dann geht schon die Deckenbeleuchtung aus, letzte Zuhörer schleichen auf Zehenspitzen herein, setzen sich auf den Fußboden vor die Spülmaschine, es gab eine Spülmaschine, alle hören zu, nur ich höre nichts, keine Straßenbahnen draußen, kein Gebimmel, und die Rückkopplung leider auch zu spät fast, leises Fiepen im Ohr zwar, aber gedacht: Großstadt, da fiepts schonmal irgendwoher.
Mikrofonkorrektur und wieder zurück nach Indien, 40 Grad im Schatten,
und dann fehlerfrei durch den Satz mit den meisten ü im ganzen Text der über einen gut gefüllten Kühlschrank verfügt (mehr erinnere ich gerade nicht auswendig) und bloß nicht stolpern über die Comichefte, die keineswegs mit ch gesprochen werden, das vorangestellte heimlich aber schon…

alles gelingt.

Wunderbar anmoderiert von Ulrike Ostermeyer, die mich auch diesmal begleitet hat, und smartfotografiert von Stefanie Endres von politycki und partner, nach der Lesung fragestellende Zuhörer*innen, Signierwünsche, und dann die Treppe hinunter, vorbei an der Signierschlange für Lutz Seiler, auch da glückliche Gesichter, stolze Kruso-Besitzer*innen, so muss das sein, wenn wir aus unseren Büchern lesen dürfen, alle leuchten.

Tag 2

Aufgewacht in Bad Homburg, direkt am Kurpark, nicht auf einer Bank, nein!, im Hotelzimmer natürlich, erlesenes Frühstück, Fahrt zur Messe, ins Parkhaus, dreispurig rein, obwohl es erst kurz nach neun ist, dreispurig. Für den Shuttle-Bus reichen meine Nerven noch nicht, Busfahren rangiert direkt hinter Achterbahn, also laufen und zum Glück nicht genau wissen (und durch den Nebel nicht sehen) wie weit das ist, neue Schuhe natürlich, aber so weiche und gemütliche, wie Socken sind die, also kein Problem bis Halle 10, Eingang. Ich bin drin denken, was nur Anfänger machen, drin stimmt zwar, aber erst die Hälfte ist geschafft, jetzt noch Halle 3 finden, und weitergehen, den Batiktaschenstandbetreiberinnen beim Aufbau zusehen, flach atmen am Grillstand, um halb zehn sind gebratene Zwiebeln noch nichts für mich, antiker Silberschmuck wird feilgeboten und für einen Augenblick habe ich vergessen wo ich bin und wo ich hinwill. Sachen kucken. Rikschas ausweichen und winzigen Shuttlebussen, durch Fensterscheiben merkwürdig steif dahingleitende Menschensilhouetten ausmachen, erst einen Tag später erfahren, dass es Transportbänder gibt, weiterlaufen.
Drin in der Halle vertraute Gerüche, Bilder, Geräusche, so viele wache Menschen um diese Uhrzeit, so viele schon mit dicken Taschen bepackt, so viele, die wie aufgezogen von Stand zu Stand ziehen und alles mitnehmen, was nicht angedübelt ist. Prospekte? in die Tasche, Kleber? noch besser, Kugelschreiber? juchhei! – als gäbe es da draußen, in der Nicht-Shuttle-Bus-Welt keine Schreibgeräte, rote Kugelschreiber mit weißem geklaut beim Syndikat-Aufdruck die konsequente Antwort.

SAMSUNGDer Stand vom eigenen Verlag dann, ich wusste es schon vorher von Bildern, lauter Bücher mit meinem Namen, mein Porträt überlebensgroß und das Cover in der Leuchtsäule – kurz nicht aufgepasst und dann hat die Siebdruckerin von früher rasch gefühlt und geschaut und hervorragende Arbeit gesehen – Danke an alle Arche-Menschen für ihre Idee und die liebevolle Arbeit, die daringesteckt hat!, und dann die erste Dame mit Vorschaukatalog und Leseprobe, könnten Sie das für mich signieren? Das sind doch Sie? auf das Porträt über mir deutend, Hin- und Hersehen zwischen Bild und Text und mir, ich signiere, sie geht, dreht um, kommt zurück kann ich Sie fotografieren eigentlich? aber ja – weil wissen Sie, Sie sehen heute viel besser aus als auf dem Bild, lächelt, knipst, geht, beschwingt wie mir scheint, und ich setze mich für einen Augenblick auf die weiche orangefarbene Bank, direkt unter das Bild, direkt neben das hinterleuchtete Cover, spüre die vielen Menschen im Gang vor mir, in der Halle um mich herum mehr, als dass ich sie sehen kann, und halte den Augenblick fest so lange er da bleiben möchte bei mir: in dieser Halle sein zu können, mit all diesen Menschen um mich herum, die ich mehr spüre als sehe, das gewagt zu haben und standzuhalten und einfach nur da zu sein.

Und dann gibt es nichts weiter zu tun, als hin und wieder ein Autogramm zu geben, ein sehr langes, sehr schönes Gespräch geschenkt zu bekommen, und siebeneinhalb vollkommen unerwartete Begegnungen zu haben – und ich schicke ein stilles Danke für diese beiden Tage, wohin auch immer es gehören mag.