Durch den Monsun

Ich war im Urlaub, am anderen Ende der Welt, aber nicht in Tokio. Ich war auf einer Insel, in einem Hotel, oder genauer gesagt: einem Resort. Mit eigenen kleinen Häuschen für die einzelnen Gäste, unseres hatte sogar eine Terrasse, mit direktem Blick auf den Ozean, die Haihauptverkehrsader (ich verkneife mir das Wortspiel unter Schmerzen) direkt vor der Treppe ins Wasser, und eines kann ich schon verraten: die sind pünktlich, diese Tiere. Sehr sehr pünktlich.

Ebenso pünktlich in diesem Jahr waren die saisonalen Niederschläge, und wer schon einmal am Äquator in einen örtlichen Schauer geraten ist, der weiß wie nass man sein kann, in Sekunden. Millisekunden.

Typisch für ein „eigene-Häuschen-für-jeden-Touristen“-Resort ist der Weg zum Essen, der führt aus dem Häuschen in die Natur, in unserem Fall am Strand entlang über einen sehr langen Steg ohne Geländer in ein riesiges zeltartiges Gebäude, das ins Meer gebaut wurde. Bei Sonne kein Problem. Bei Sonne nicht.

Wir hatten an diesem Abend schon lange keinen Sonnenschein mehr, Äquator sorgt für stockfinstere Nacht gegen halb sieben, wir hatten zudem noch Wind. Sturm. Und Regen. Sehr sehr starken Regen. So starken Regen, dass wir keine Chance hatten, auch nur halbwegs trocken zum Abendessen zu kommen, nicht einmal den zweiten Schritt vor der Tür würden wir schaffen, in keiner Welt.

„Wir können nur nackt gehen“, dachten wir beide und erinnerten uns dann an das Schild an der Rezeption, „Nudity is forbidden by law, 1000 Dollar“. Es war das größte Schild von allen gewesen, wirklich deutlich größer als alle anderen, das fiel also aus.

„Badebekleidung?“, überlegten wir, aber Badebekleidung war ebenfalls forbidden beim Essen, wenn auch nicht by law, aber wer möchte schon im pitschnassen Badeanzug beim Essen im Kuppelbau sitzen, zwischen Palmen und Jazz, zusammen mit den rund 90 anderen Gästen, und in quietschenden FlipFlops durchs Büffet schliddern? Niemand.

„Ersatzbekleidung?“, war unser nächster Gedanke, bis es uns traf wie der Blitz: die Wolldecke, die der Zimmerboy uns bei der Anreise gezeigt hatte, „for cold days“, und wir hatten gelacht und gedacht „cold days“, das sind hier allenfalls Tage mit einer 2 vorne an der Temperaturanzeige, so cold wie diese Decke dick ist, können die days sicher nicht werden am Äquator, aber nun wäre die eine Lösung: wir wickeln uns darin ein und rennen im Gleichschritt zum Abendessen, den Steg hoch und alles weitere würde sich finden!
Wir wickelten und wanden, wir legten die Decke nacheinander um unsere Schultern, wir ließen abwechselnd den anderen dazu schlüpfen. Sie war zu klein und wir zu viele.

„Kein Abendessen?“ überlegten wir dann. Oder Telefon an die Rezeption, wir hätten gerne jeder einen Teller „mit alles“, aber Porzellan war außerhalb des Essensgebäudes ebenfalls forbidden, Plan verworfen.

Da begannen die Augen des Mannes zu leuchten. „Wir haben einen Tauchsack“, sagte er, und während ich dachte er wolle, dass wir zum Essen über den Seeweg gelangen, begann er zu packen. Unsere trockenen adäquaten Kleider nämlich. Für den (Landweg) zogen wir unsere Badesachen an, legten unsere Handtücher über die Köpfe und Schultern und öffneten die Tür.

Draußen: Monsun. Wie aus dem Bilderbuch. Warm, nass, und vollkommen. Wir gingen los. Neben uns ein weiteres Paar, und als ich sie sah, stockte mir der Atem. Sie trugen IDENTISCHE Regenmäntel! „Sicher Deutsche“, dachte ich mit Unterton, nur die können das Internet vor dem Urlaub nach allen Eventualitäten leer gelesen haben, nur Deutsche sind so penetrant professionell und bringen ins Paradies am Ende der Welt REGENMÄNTEL mit und dann noch IDENTISCHE, ich war etwas missgünstig und wahrscheinlich neidisch und sonnte mich zum Ausgleich intensiver in unserer kreativen, improvisierten und so viel liebenswerteren Lösung.

Am Restaurant angekommen warfen wir unter dem Vordach rasch die trockenen Kleider über und betraten den Raum. Wir waren bei weitem nicht die Einzigen mit nassen Haaren, nassen Handtüchern und feuchten Klamotten.

Aber die andere Hälfte der Gäste, die hatten ALLE dieselben Regenmäntel über den Stuhllehnen hängen, und hätten wir nur eine Sekunde länger in den Schrank geschaut, aus dem wir unsere Decke for cold days geholt hatten, wir hätten die schön zusammengefalteten schwarzen Regenmäntel gefunden, die dort selbstverständlich für jeden Gast bereit liegen, die Regenzeit dauert ja nicht nur einen Abend.

Die Touristen vom Hinweg waren ich glaube Belgier gewesen.

2 Gedanken zu “Durch den Monsun

  1. Waltraud Straubinger

    Liebe Pia, eine so schön erzählte Geschichte. Ich war mittendrin dabei und habe am Ende geschmunzelt! herzlichen Gruss Waltraud

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