Gibt es dieses „deutsch“ überhaupt?

Angesichts der Menschen, die in erschreckender Zahl auf die Straße gehen, um „unser Land“ davor zu bewahren, „weniger deutsch“ zu werden, ist es eine legitime Frage, ob es dieses „deutsch“ überhaupt gibt. (Ich sage ja jetzt schon: gibt es nicht.)

Christine Koschmieder ist Literaturagentin, und wo ich noch grüble, hat sie einen Fragebogen entwickelt um zu erfahren, wo unsere Großeltern vor 1939 bzw. 1945 gelebt haben.

Warum?
Um aufzudecken und anfassbar zu machen, dass in unserer Großelterngeneration erhebliche Migrationsbewegungen stattgefunden haben, und in beinahe jeder „deutschen“ Familie Identitäts- und Heimatverlust vorgekommen ist durch den Krieg.
Sie will aber auch wissen, was denn trotz Flucht geblieben ist in den Familien, vielleicht Lieder, Gerichte, Rituale? Oder wurde und wird bis heute über den Krieg geschwiegen und sind wir Kriegsenkel immer noch diejenigen, die im Dunkeln tappen und mit Ortsnamen abgespeist werden, die erst bei näherer Betrachtung und Recherche ganz weit im Osten liegen oder in ganz anderen Gegenden?

Als Ergebnis wird eine Landkarte entstehen mit Herkunftsorten und (Flucht-)Bewegungen. In erster Linie aber soll die Aktion dazu bewegen, miteinander zu sprechen und sich bewusst zu machen, dass wir hier, mitten in Europa, einerseits schon immer ein Durchzugsland gewesen sind (und daher mit Sicherheit nicht das geringste Ur-Deutsche zu finden sein wird), und zum anderen die jüngere Geschichte ganz erhebliche unfreiwillige Migrationsbewegungen mit sich gebracht hat, deren schmerzhafte und traumatische Seiten, und das ist jetzt meine gewagte These, durch die neuen Geflüchteten getriggert werden und ihren Teil beitragen zur hochemotionalen und irrationalen Abwehrhaltung gegenüber allem, was „fremd“ ist.

Hier geht es zum Fragebogen, der natürlich anonym ausgefüllt werden kann.