Literaturkreise – ein Gastbeitrag von Heike Baller

Zugänge zu Literatur gibt es viele, Literaturkreise finde ich sowohl als Autorin als auch als Leserin hochspannend, ich bekomme immer wieder Mails von Teilnehmerinnen oder Leiterinnen und habe so erfahren dürfen, wie intensiv die Auseinandersetzung mit Stoffen in diesem Rahmen sein kann.

Heike Baller (www.koelner-leselust.de) veranstaltet solche Literaturkreise und gibt uns hier Einlick in ihre Herangehensweise. Sehr spannend finde ich ihren Hinweis auf die schwierige “Datenlage” bei Debütautor*innen; mitlesende Verlage: denkt an die Literaturkreise…

Vielen Dank Heike, für deinen texttreff-Blogwichtelbeitrag!

 

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So sehen Literaturkreise bei mir aus:

Sich über Literatur auszutauschen ist eine wichtige Sache, um die eigene Lektüre zu reflektieren und ggfs. neue Impulse zu bekommen. Da kann ein Buch dann auch schon mal noch eine zweite Chance erhalten.

Nun kann ich nur davon sprechen, wie ich „meine“ Literaturkreise – zwei beim katholischen Bildungswerk in Köln, einen offenen in den Räumen der Buchhandlung vor Ort – vorbereite und durchführe.

Zum Einen: Nix Demokratie! Ich suche die Bücher aus. Na gut, ich nehme auch Vorschläge entgegen – aber letztendlich bin ich für die Auswahl verantwortlich. So lege ich Wert darauf, dass sowohl Neuerscheinungen als auch der eine oder andere Klassiker zum Zuge kommen. Ich plane immer für ein halbes Jahr – das ist so vom Bildungswerk und seiner Programmgestaltung vorgegeben und klappt auch für den offenen Literaturkreis ganz gut.

339152_web_R_B_by_RainerSturm_pixelio.deNeben der eigentlichen Lektüre des Titels steht für mich die Heranschaffung zusätzlicher Informationen im Vordergrund:

  • Welche Daten und Fakten gibt es zur Autorin oder zum Autor? Das kann eine Autorenwebsite sein, oder Interviews. Zu manchen gibt es auch Artikel in verschiedenen Datenbanken z. B. Wikipedia oder Fembio.  Rezensionen anderer lese ich dann auch. Je nachdem wie unbekannt die Autorin ist, wird es da auch schon mal eng. Debuts z. B. sind spannend – aber Hintergrundwissen ist oft schwer zu beschaffen.
  • Um welche Art von Buch handelt es sich? Briefroman, Innerer Monolog, Familienroman – hier benötige ich dann Details zu Gattung und Stilkunde. Beim Briefroman z. B. geht es auch um gesellschaftliche Veränderungen zur Entstehungszeit in der Aufklärung.
  • Bei manchen Titeln müssen historische Hintergründe beleuchtet werden. Da suche ich dann belastbares Material zu Ereignissen, die entweder im Buch eine Rolle spielen oder die Entstehung beeinflusst haben.

Wenn dann alle um den großen Tisch sitzen, geht es mit einer Runde „Erster Eindruck“ oder „Was wollen Sie sofort sagen?“ los. Das ist so eine lockere Diskussion, assoziativ und erst einmal „ziellos“. In der Regel dauert das nicht länger als 15 bis 20 Minuten. Dann bin ich als Referentin dran: Ich erzähle was zur Autorin oder zur Gattung oder zur Zeit oder alles (s. o.) Danach geht’s dann in die Tiefe. Je nach Buch habe ich ein paar Fragen mitgebracht, die meiner Meinung nach berücksichtigt werde sollten.

Und nun geht’s richtig zur Sache. Neben meinen Informationen spielen nun die Lektüreeindrücke und auch die Lebensgeschichten der Versammelten eine Rolle: Manche Szene wird mit eigenen Erfahrungen in Zusammenhang gebracht. Ein anderes Mal steht ein gesellschaftlicher Aspekt im Vordergrund: Bei „Suna“ z. B. Änderungen im Adoptionsrecht, bei „Fabian“ war es die Rolle der Frau in der Gesellschaft.

Stil und Plot werden natürlich auch behandelt. Und da gibt es dann schon mal Kritik, von der ich denke, dass sie im Beisein der Autorin oder des Autors eher als Frage formuliert würde.  Leser und Leserinnen können ja sowas von kritisch sein …

Am schönsten ist es für mich als „Literaturvermittlerin“, wenn am Ende jemand mit vielen Kritikpunkten am Buch sagt, dass es nun eine zweite Chance bekommt – wegen der Diskussion und der zusätzlichen Informationen.

Foto: Rainer Sturm/pixeio.de